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G.A. Freiherr von Maltitz:

Rede an mein deutsches Volk (1831)

 

Wenn Volkssturm hoch das Meer der Zeit bewegt,
Und Meinung tobend gegen Meinung kämpft,
Die alten Formen mit den neuen ringen,
Und ernste Zeichen am polit´schen Himmel
Hindeuten rings, auf sturmbewegte Tage,
Auf allgemeinen Völkerkampf und Streit,
Dann ist ein ruhig´ Wort  an seiner Zeit.
Ein Wort vom Herzen, schlicht gered´t zum Herzen,
Und ausgesprochen frei von einem Geist,
Der bei den Bessern Achtung sich erworben
,
Durch seines Wandels strenge Redlichkeit,
Dies wirkt oft mehr in solchen wilden Tagen,
Als Heeresmacht selbst und Ministerrat;
Denn jedes Wort wird dann zu einer That. ―
 

Zu leicht nur regt in solcher dumpfen Gährung
Sich des Verdachtes gift´ge Hydra auf.
Und da, wo selbst das bestgemeinte Wort,
Vom edeln Mund der Obrigkeit gesprochen,
Noch Argwohn nähret, nur weil sie es sprach,
Da wirkt nicht selten ein Gemäßigtes,
Das aus des Volkes Masse sich erhebet,
Weit kräftiger, und leichter giebt der Haufen
Ihm und den Gründen, die´s beleben nach,
Nur weil es einer aus dem Volke sprach.
Wohlan, so will ich redlich denn versuchen,
Was ich mit meinem Wort; als Mensch und Mann,
Für Bürgerruh´und Ordnung wirken kann.
Gar viel vermag des Dichters Feuersprache
Zu solchen Zeiten allgemeinen Kampfes.
Vernichtend kann sie Gluth und Flammen senden,
Weit durch der Völker aufgeregter Sinn,
Und kann ihn auch beschwichtigen und zähmen,
Dem tollen Wahn die blut´ge Geissel nehmen,
Als Friedenstrahl durch die Gemüther scheinen,
Und Vieles ordnen, lindern und vereinen;

Denn inn´ger als das kalte, steife Wort
Des strengen Diplomaten, des Gelehrten,
Das sich in engen Schranken, eng bewegt,
Und nicht berührt die allgemeinen Schmerzen,
Spricht wohl das Dichterwort zum Menschenherzen.
Drum Muße auf! Und sprich mit freiem Muth
Was an der Zeit ist, und was nöthig thut: ―  

Im großen Reiche der Natur, erzeuget
Sich Alles nur durch steten Kampf und Streit.
Gewaltsam nur entladet sich die Wolke,
Und rasend stürmt die Windsbraut durch die Luft.
Der Erdball bebt von wilden Fieberstößen,
Und reißt in Feuerschlünden krachend auf.
Zum Ungeheuer thürmen sich die Wasser,
Und schlingen Länderei´n und Städte ein.
Doch wie´s auch stürmt und brauset, noch so viel,
Nur Sturm allein gebiert des Friedens Ziel.
Entladen haben sich, vom wilden Feuer
Der Erdball, wie die dunkle Wetterwolke.
Gemäßigt rauscht die wilde Wasserfluth,
Und Alles ist auf lange Zeiten wieder
Besänftigt, beruhigt und beglückt.
Von Zeit zu Zeit muß krachen es und stürmen,
Nach ew´gen Grundgesetzen dieser Welt;
Damit´s auf lange wieder ruhig werde.
Ein jeder Kampf im Reiche der Natur,
Verjüngt von Neuem ihre heil´gen Kräfte,
Und stählet ihrer Adern frisches Mark;
Denn sollte nie ein Sturm die Welt durchwehen,
So würde sie in Fäulnis untergehen. ―  

Auf gleiche Weise nun durchbraust, durchtobet,
Von Zeit zu Zeit das Völker-Firmament,
Des Meinungssturmes aufgeregter Kampf.
Jahrhundert liegt im Streite mit Jahrhundert,
Hoch schäumt gar oft der Strom der Zeiten auf,
Und weise ist es dann mit seinem Lauf,
So lang´s noch Zeit ist, weise ― mitzugehen.
Gefährlich aber ihm zu widerstehen. ―
Denn in dem Gleis des großen Völkerwechsels,
Und auf der Bildung steilen Stufenhöh,
Da herrscht ein ewig Drängen, ewig Treiben,
Ein stetes Streben und ein Nimmer-Bleiben.
Das Unten ringt sich kühn zum oben auf.
Die dickste Finsternis selbst wird zum Lichte.
Jahrtausend heißt der Fuß, der Weltgeschichte;
Doch ewig heißt sein Gang: hinauf.
Und wie auch oft des Riesenschwunges Kraft
Sich überschlägt im großen Zeitenrade,
Und rückwärts scheint zu gehen auf der Bahn,
Daß Thoren oft in ihrem Fieberwahn,
Kurzsichtig einzubilden sich erkühnen:
Sie könnten leicht mit flachen Staatmaschinen,
Mit alter, längst verbrauchter Diplomatik,
In jenes Riesenrades Speichen greifen.
Umsonst, nur Blut gebiert ihr Wiederstand.
Noch eh´ sie selbst das Wie und Wo begreifen,
Sind sie zu Boden schon gerannt,
Und konnten Nichts als Mord und Gräuel häufen.

    Dies Wort der Wahrheit, nie zu widerlegen,
Und durch den bitteren Erfahrungsgang
Der Weltgeschichte tausendfach bewiesen;
Zu oft nur wurde es in jeder Zeit
Von manchem hellen Kopfe ausgesprochen,
Und stets bewährte sich´s als ächt und wahr.
Doch hörte man und wollte nie d´rauf hören.
Man ließ sich stets vom alten Wahn bethören,
Und glaubte stets durch Diplomaten-List
Zurückzuführen, was nie möglich ist. ―
Verlockt von einem unglücksel´gen Dünkel,
Versuchte man der Zeit gewalt´gen Geist,
Den St. Helenas riesiger Titane
Wild, wie er selbst, herauf beschworen hatte,
Auf´s Neu in´s alte, rost´ge Staatsgefäß,
So listig, als pedantisch einzuzwängen;
Sah nicht, wie er mit jugendlicher Kraft,
Der aufgedrung´nen Formen läst´ge Enge,
Des diplomat´schen Korkes schlaffen Zwang,
Mit jedem Tage immer mehr und mehr
Zu dehnen, heben und zu sprengen suchte;
Sah´s nicht, und lächelte nach alter Art
Zu seinem, wie man meinte, eiteln Streben.
Vertraute stets dem alten Staatsgefäß,
Und ließ, verführt von einem falschen Stolz,
Der alte Diplomatik Sprüchlein walten:
Was lange hielt wird auch noch länger halten.
Bis endlich er, der mächt´ge Völkergeist,
Hoch aufgegohren durch des Kerkers Bande,
Und baff empört ob seiner Leiden Schmach,
Das morsche Staatsgefäß in Scherben brach.

Da steh´n wir nun vor seiner ernsten Trümmer,
Vor einer Thatenschwang´ren Zeitenfluth.
Gewaltsam ward der Sturm heraufbeschworen;
Denn wär man früher weise mit dem Strom
Des neu aufblühenden Geschlechts gegangen,
Und hätte ihm gewaltsam nicht gesetzt
Der falschen Dämme thörigt´Vorurtheil,
Man brauchte seine Fluth jetzt nicht zu fürchten.
Er würde mild und friedlich sich ergießen,
Und weit und breit durch Ruh und Ordnung fließen. ―

Doch wir sind Menschen, alle, Hoch und Nied´re,
Und fehlen ― heißt das Erbtheil, das uns ward.
Kein Einz´ger scheidet gern von seinen Rechten,
Die schon der Ahn Jahrhunderte besaß.
Und wären sie auch noch so widerstreitend
Dem Geist der Zeiten, wie dem eignen Wohl,
Er lässt sie ungern schwinden und erkalten,
Und will sie auch dem Enkel noch erhalten. ―

    Darum mein Volk! Mein braves, deutsches Volk!
Erwäge dies, und handle deiner würdig.
Vergreife dich in dieser Zeiten Strudel,
In deines Strebens reinem Ziele nicht.
Fern sei von Dir jedweder blinder Gräuel,
Der deinen Namen schändet und entehrt.
Was du verlangst, verlange mit Vernunft,
Mit Energie, Beharrlichkeit und Ruhe,
Doch auf dem Weg der Ordnung, des Gesetzes.
Es siegt bestimmt der Wahrheit heil´ges Gut.
Weiß doch ein jeder, was jetzt nöthig thut. ―
Glaub mir, man wird, man muß dir schon gewähren,
Was ja ein ganz Jahrhundert laut verlangt.
Nur schmäl´re nicht dein eig´nes, heil´ges Recht,
Durch zwecklos-wildes, frevelhaftes Treiben,
Durch blindes Streben ohne Bahn und Ziel, ―
Was alle Besseren von dir entfernet.
Für Zeit und Volk giebt´s jetzt nur einen Rath:
Einig im Ziel, ― besonnen in der That. ―

     Beweis´ der Welt, beweise deinen Herrschern,
Durch Achtung stets vor dem Gesetz, durch Mäß´gung,
Wie durch Besonnenheit und Energie,
In dem, was du für eignes Glück und Wohl,
Nach Recht und Pflicht fordern zu können glaubest;
Daß du es werth bist in des Landes Rath,
Für Volkerrecht freimütig mit zu reden.
Werth bist, zu wissen stets: warum, wofür,
Du deines Schweißes saueren Erwerbs
Hingiebst, und zeig, was längst bewiesen ist:
Daß du für Freiheit reif und mündig bist. ―

    Zu weit gebildet ist der Deutsche,
Um mit dem Gräuel längst verfloß´ner Zeit,
Die tief in Finsterniß und Wahn versunken,
Zu schänden sein erleuchtetes Jahrhundert,
Zu schänden frech durch blinde Raserei.
Nein, braves Volk! mach´ durch Vernunft dich frei ! ―
Tritt nach Gesetz und Ordnung, still und rührig,
Zu auserwählten Kreisen, welche nur
Die Bessern deines Landes sich schließen,
Zusammen fest, und ford´re dann bescheiden,
Doch auch mit Ernst, Beharrlichkeit und Muth:
Was an der Zeit ist, und dir nöthig thut:
Der Denk- und Pressefreiheit gerechte Gabe,
Des Volkes Gleichheit vor dem Volksgesetz,
Die ausgesproch´ne Sicherheit der Habe,
Nicht durch ein bloßes leeres Staatsgeschwätz
Von Gnade und Vertrau´n zum Herrscherthron,
Nein, durch gesetzliche Konstitution.
Des Volkes Vertretung nach Beruf und Alter,
Frei durch des Volkes uneingeschränkte Wahl,
Und Rechenschaft der höchsten Staatsverwalter,
Von dem, was sie vertreten allzumal,
Streng, vor des Landes heil´gem Tribunal.

    Dies ford´re dreist, mein braves, deutsches Volk!
Und glaube mir, die edlen Fürsten werden
Von deinem Werth sich selber überzeugen;
Wie von dem vorgeschritt´nen Geist der Zeit.
Und werden gern gewähren, was du forderst,
Und was sie selber ja so hoch beglückt;
Damit ihr Haupt ein ew´ger Lorbeer schmückt. ―
Auf diesem Wege nur wirst du erreichen,
Gewiß erreichen dein erhabnes Ziel.
Europa wird anstaunen dich, bewundern,
Und freudig stimmen in die Wahrheit ein:
Das deutsche Volk verdiente frei zu sein. ―

Der Originaltext befindet sich im Magazin der Universitätsbibliothek Köln.
Signatur: SD 30 469 0 3  

 

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